Ans Meer!
Ach, eine Frau haben Sie auch noch?

 

 

 

 


Eigentlich wollten wir zur Jungfernfahrt des Calessino-Piccolino-Gespanns ja ans Meer. Ganz nach Norden, Treffen mit einer lieben Freundin an der Ostsee. Aber Hund Lola und die kleinen Rädchen fanden die Idee der weiten Fahrerei und den Termindruck dann doch nicht so prickelnd. So blieb es bei Pfalz, Main, Tauber und dann wieder heim in die Ortenau.


Infiziert hat mich Bianca Schäb mit ihrem Buch „Ich hab Zeit – was hast du?“ Da fährt eine junge Frau mit einem alten Goggomobil und einem ähnlich antiken Wohnwägelchen quer durch die Republik und löchert alle möglichen Leute mit ihrer „Zeit-Fragerei“.

Das saß. Ein Wohnanhänger(chen) an die Calessino und quer durch die Republik? Das wär’s doch! Und beim Internetblättern stach er mir dann gleich ins Auge: Der Piccolino, Roehnerts „wohl kleinster Wohnwagen“ aus Wuppertal.


Geht das überhaupt?

Aber dann die Fragen: „Cirka“ 130 kg - packt das das 10-PS-Viertaktkmotörchen mit seinen 200 Kubik? Und eine Anhängerkupplung ist im APE-Schein ja auch nicht vorgesehen. Werde ich dann vollends zum absoluten Verkehrshindernis („Stau ist blöd, vorne geht’s“)? Und überhaupt, sind dann Berge und Steigungen tabu? Reichen 120 cm Liegebreite überhaupt für die Bedürfnisse von Hund und Mann?

Dem Mutigen gehört die Welt: Ein Mail an Alex von casa moto ergibt: Anhängekupplung mit TÜV gibt’s, 240 kg ungebremst. Also: Piccolino in APE-Rot bestellt, mitm Caddy in Wuppertal abgeholt und mit 80 km/h zu uns in den Süden. Und dann steht das knapllrote Teil in der Scheune. Ganz schön wuchtig hinter der Ape. Casa-Termin in Bergatreute zur Kupplungsmontage ausgemacht, Klappfenster eingebaut, Isolierung reingeklebt, die Jungfernfahrt rückt näher…

Und dann die Ernüchterung, die Anhängerkupplung ist zwar wuchtig, ziehen darf die Calessino aber nur 150 kg. Naja, so plusminus wird’s schon gehen. Probefahrt ums Viertel: Zieht ganz gut, bisschen zögerlicher die Beschleunigung. Aber schließlich wohnen wir ja in der Rheinebene, gibt’s keine Berge. Aber ans Meer? Da stehen dann ja schon einige Mittelgebirge im Weg…

Und der Piccolino sieht noch arg nackt aus, so eine einfache GFK-Haube auf ein Fahrgestell montiert. Und nachts? Schlafen wir wirklich mit „Klappe-zu“? Das gibt ja Platzangst pur! Auto-Heckzelt – die Lösung? Nein, das schwabbelt irgendwie so komisch rum. Ein Autosattler muss her, die Firma Herrenknecht aus Schwanau. Und tatsächlich, der Fachmann kann’s, es entstand ein auf Piccolino maßgeschneidertes Teilzelt. Knallgelb. Alles passt vorzüglich mit vielen kreativen Ideen (DANKE Herr Braun!).

Und wenn die Sonne scheint? Dann hat Freundin Petra flugs drei Sonnenschutztücher genäht – an alles ist gedacht!

Erster Start

Und irgendwann wird es dann ernst. Das Gespann wird für einen Kurzurlaub gepackt. Möglichst viel Gewicht nach vorne, der Hänger soll nicht noch schwerer werden! Und Zelt brauchen wir diesmal ja keines.

Frühmorgens geht’s los. Erste Überraschung nach ein paar Stunden: Die Calessino kriegt das alles toll hin! Am Berg war sie vorher schon „gemächlich“, jetzt ist halt alles noch etwas gemächlicher. Aber es geht. Ich habe Zeit, was hast du…

Überraschung Nummer zwei: Calessino solo mit Hund fällt ja schon auf. Aber jetzt erst! So viele Leute die stehenbleiben und lachen, so viele Daumen hoch, so viele Fotos – das hab ich noch nie erlebt. Obwohl: An der Tanke kommt eine Frau auf mich zu: „Darf ich ein Foto machen?“ Klar. Und was fotografiert sie? Den Hund.

Im Pfälzer Wald dann, wie gesagt, der nicht ganz leichte Verzicht aufs Meer, dafür umswitchen auf eine Tour rund um die Heimat: Freunde besuchen in Frankfurt, Weikersheim und Schwäbisch Hall. Gemütlich und genussvoll durch die schöne Sommerlandschaft tuckern, den Piccolino immer im Rückspiegel. Und wo wir hinkommen, wir sind der Mittelpunkt. D.h. eigentlich weniger ich, dafür Tuktuk, Hänger und Hund.

 

Passte da wirklich rein?

Auf dem Campingplatz irgendwo am Main. Ein Holländer nähert sich höflich unserem Gespann. Die üblichen Fragen. Wie schnell? 60, bergauf langsamer. Haste selber restauriert? Nö, kann man kaufen. Calessino ist 4, Piccolino 1/2. Passte da wirklich rein? Ja und der Hund auch, meine Frau muss arbeiten. Ach, eine Frau haben Sie auch noch!?

Jedoch, je mehr wir uns nach einer guten Woche der Heimat nähern, desto hakeliger wird die Gangschaltung. Da vor der Fahrt der Schaltzug ersetzt wurde, vermute ich, dass die Einstellung verrutscht ist. Leider Fehlanzeige: Das Getriebe hat ein größeres Problem (hat eigentlich schon lange vor unserer Reise „Laut gegeben“). Und daheim haben wir die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und Jörg Marzloff, Chef meiner treuen APE-Werkstatt in Kork, hat einen nagelneuen Motor samt Getriebe (bei e-bay zum halben Preis!) eingebaut: Jetzt kann’s wieder losgehen zur nächsten Fahrt! Und vielleicht folgen wir irgendwann mit etwas mehr Zeit doch noch mal dem Ruf „Ans Meer“? Bestimmt!


Frieder Fabriz, Kehl